Interfakultärer Studiengang Religionswissenschaft
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Gastvortrag Prof. Jens Kreinath

Mimetische Synästhesie und die Ästhetik der Interritualität: Rituale der Heiligenverehrung an gemeinsamen heiligen Stätten von arabischen Alawiten und orthodoxen Christen in Hatay - am Mittwoch, 28.06.2023, um 18:15 Uhr im LMU-Hgb., M 201

28.06.2023

2023-06-28_Kreinath_PlakatZiel dieses Vortrags ist es, die Dynamik der interreligiösen Beziehungen zwischen Christen und Muslimen in der südlichsten türkischen Provinz Hatay aus einer Forschungsperspektive zu beschreiben, welche das Ritual als Ästhetik erfasst. Bei der methodischen Erfassung der ästhetischen Merkmale von Ritualen der Heiligenverehrung geht es darum, die Schlüsselelemente der so miteinander verbundenen Rituale zu bestimmen. Hierbei gilt es, die Rolle herauszuarbeiten, welche solche Rituale bei der Gestaltung sozialer Beziehungen zwischen den arabisch-alawitischen und orthodoxen christlichen Gemeinschaften spielen.

Ein besonderes Augenmerk wird auf die Überschneidungen von rituellen Handlungen und ästhetischen Wahrnehmung gelegt, die bei Interaktionen menschlicher Akteure mit ihren Heiligen und den Orten ihrer Verehrung entstehen. Hiermit soll aufgezeigt werden, wie durch rituelle Interaktionen und der damit verbundenen taktilen Wahrnehmung komplexe Netzwerke sozialer Beziehungen entstehen. Ein zentrales Element des vorgetragenen Arguments besteht darin, dass in diesen sozialen Beziehungen die verschiedenen Bereiche der menschlichen Realität und Wahrnehmung in den Momenten der Interaktion mit dem Heiligen miteinander verschmelzen. Diese Momente sollen begrifflich als mimetische Synästhesie beschreiben werden: sie sind sinnlich eingebettet in die religiösen Kosmologien, abgeleitet aus der taktilen Koordination individueller Bewegungen und Gesten, und vermittelt durch die gemeinsamen heiligen Stätten als Schnittstellen zwischen dem Heiligen und seinen Verehrern.

Zur Analyse der ethnografischen Beispiele werden außerdem die analytischen Konzepte von Mimesis, Atmosphäre und Resonanz eingeführt, um dadurch zu veranschaulichen, wie Mitglieder der christlichen und muslimischen Gemeinschaften in Hatay ihre rituellen Unterschiede in den komplexen Beziehungsgeflechten der Heiligenverehrung auflösen und somit nicht mehr voneinander zu unterscheiden sind. Auf diese Weise erklärt die Ästhetik der Interritualität, wie Mitglieder der unterschiedlichen religiösen Gemeinschaften ihre sozialen Beziehungen durch die taktilen Formen ritueller Gesten und Bewegungen und die dadurch hervorgebrachten Sinneswahrnehmungen gestalten.

 

Jens Kreinath (Dr. phil., 2006, Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg) ist Professor für Sozial- und Kulturanthropologie an der Wichita State University. Dort lehrt unter anderem Religionsethnologie, Linguistische Anthropologie, Kulturtheorie, Visuelle Anthropologie und spezialisiert sich auf Kultursemiotik und Religionsästhetik. Derzeit verfasst er eine Ethnographie unter dem Titel Mimetic Synesthesia and the Aesthetics of Interrituality: Saint Veneration Rituals at Shared Sacred Sites among Arab Alawites and Orthodox Christians in Hatay.