Interfakultärer Studiengang Religionswissenschaft
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Inhaltsbereich

Forschung

  • Afrikanische Religionsgeschichte: Islam, Christentum, indigene Religionen (Schwerpunkte Ost- und Westafrika)
  • Reiseberichte aus Afrika
  • Religionsästhetik, materielle Religion
  • Methoden der qualitativen Sozialforschung in der Religionswissenschaft
  • Neuere Theoriebildung in der Religionswissenschaft und Religionsethnologie
  • Religion und Heilung/Medizin
  • Religion und Museum/Musealität
  • Katholizismus (besonders Marienverehrung in Europa und Afrika)
  • Besessenheitsrituale, Geister/Zwischenwesen, Ahnen in Afrika und der Diaspora
  • Missionsgeschichte nach oben

Forschungsinteressen

2017/2006/2005/2004 Feldforschungen in Tansania

Afrikanische Religionsgeschichte: Mein Interesse an afrikanischen Kulturen und Religionen wurde schon früh durch familiäre Begegnungen mit Menschen in Nigeria, Niger und Tansania geweckt. Ich arbeite heute schwerpunktmäßig zu Aspekten von Islam und Christentum in Ost- und Westafrika. Es ist mir ein Anliegen in religionswissenschaftlich komparatistischer Perspektive diese beiden Felder ins Gespräch miteinander zu bringen, die sonst in ihrer historischen Erforschung durch die Disziplingrenzen in der Religionsforschung getrennt werden (Islamwissenschaft, Theologie, Ethnologie). Spannend sind Begegnungen und Verflechtungen, gerade auch mit (neo-)traditionellen Religionen. In Tansania habe ich meine ethnographische Feldforschung zu katholischem Exorzismus in der Marian Faith Healing Ministry durchgeführt (Wilkens 2009 „Mary and the Demons“; 2011 Holy Water and Evil Spirits; 2011 „Marianische Heilung“).

Mein derzeitiges Interesse gilt Reiseberichten, die um das Jahr 1900 von Ostafrikanern mit sunnitischem und schiitischem, christlichem, und zoroastrischen Hintergrund verfasst wurden. In der vielsprachigen und multireligiösen Kontaktzone des kolonialen Ostafrika geben diese Berichte einen lebhaften Einblick in die Wahrnehmung globaler Zusammenhänge und lokaler Vielfalt. So kommentiert ein Zanzibarisch-parsischer Ingenieur die britische Kolonialverwaltung in Kenia oder ein komorischer Diener beschreibt die Reise seines deutschen Dienstherren auf der transsibirischen Eisenbahn, an deren Ende die Großwildjagd im Altaigebirge stand. Religiöse Metaphern nehmen dabei eine ordnende Funktion ein und vermitteln zwischen der Fremdheit ferner Völker und heimatlichen Werten.

Religionsästhetik: Religionsästhetik verweist darauf, dass unser Wissen immer auch sinnliche Erkenntnis ist, das heißt durch unsere sinnlichen Wahrnehmungsmöglichkeiten geformt wird (Koch und Wilkens 2019, Handbook). Themen wie rituelle Heilung, kulturelles Gedächtnis, Marienfrömmigkeit und der Umgang mit religiösen Schriften stehen im Mittelpunkt meiner religionsästhetischen Forschungen. Zusammen mit Kollegen und Kolleginnen im AK Religionsästhetik, haben wir Konzepte und Terminologien weiterentwickelt, die die zentrale Rolle von Sinnlichkeit und Wahrnehmung auf die Formierung von kulturellem Wissen aufzeigen. Musealität verweist auf eine spezifisch westliche Form der Sichtbarmachung von (Religions-)Geschichte in rituell überhöhter Weise mit politischen und moralischen Funktionen (Kugele/Wilkens 2011 „Relocating Religion(s)“). Durch Imagination wird ein Raum geschaffen, der wesentlich durch sinnliche Wahrnehmbarkeit geformt ist, diese aber transzendiert. Individuelle wie kollektive Erfahrungen werden der Konkretion enthoben und als Potentiale für die Zukunft formbar gemacht (Wilkens 2015 „Inkorporierte Imagination“). Die religiös-therapeutische Praxis, Koranverse zu notieren und die abgewaschene Tinte als Medizin zu trinken wird in der gesamten islamischen Welt praktiziert. Diese Praxis aus der prophetischen Medizin zeigt eindrücklich die ästhetische Verbindung von medizinisch-leiblichen und theologisch-intellektuellen Kodierungen, die im Umgang mit dem heiligen Text wahrnehmbar werden (Wilkens 2013 „Drinking the Qur’an“, 2017 „Infusions and Fumigations“, 2019 „Text als Medizin“, 2019 „Embodying the Qu’ran“).

Ein roter Faden, der sich durch meine religionsästhetischen und religionshistorischen Arbeiten zieht, ist Besessenheit durch Geister, Götter und Heilige. Historisch-komparatistisch nehme ich dabei eine Bandbreite von Phänomenen auf, die von Voodoo über zar zu Exorzismus führen. Aber auch Heiligenverehrung und Marienfrömmigkeit gehören in dieses Spektrum der rituellen Trancepraktiken. Die Verbindung von Therapie, Narration und kultureller Performanz, von Genderpolitiken und Identitätsformierungen ist faszinierend, gerade weil sich die rituellen Praktiken allen eindeutigen Klassifikationen widersetzen (Wilkens 2018 „‘Instant miracles are rare‘“, Wilkens 2020 „Narrating spirit possession“). Mein aktuelles Forschungsinteresse bezieht sich zunehmend auf die Kategorie der Ahnengeister, die scheinbar trotz Christianisierung, Säkularisierung oder Modernisierung ihren Platz in der rituellen Handlungspraxis behaupten. Was bedeuten Ahnen für familiäre Gemeinschaften in Zeiten von Urbanisierung, Arbeitsmigration und Anonymisierung von sozialen Sicherungssystemen?

 

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